Eine neue Waffe gegen Raubkopierer ================================== Hersteller der Software setzen auf das novellierte Urheberrecht / von Thomas Magenheim-H”rmann Auf das jahrelange Z„hnefletschen der Software-Industrie sollen 1993 kr„ftige Bisse folgen. Im Zentrum einer weltweiten Kampagne der internationalen Standes- vertretung Business Software Alliance (BSA) gegen Raubkopierer stehen jetzt illegale Computer-Mailboxen. Vor kurzem bekamen das erstmals auch 13 deutsche Mailbox-Betreiber zu spren. Da stellte die Berliner Polizei bei einer Durchsuchung 25 Personal Computer und ber 250 verschiedene Raubkopien mit einer Speicherkapazit„t von mehr als 6 Gigabyte sicher. Die Branche reagierte mit Befriedigung, aber auch šberraschung. Denn unter der beschlagnahmten Ware fanden sich Programme, die die Hersteller noch gar nicht auf dem deutschen Markt anbieten. Das deutet auf eine internationale Vernetzung der Raubkopierer. Sie werden die Software-Produzenten 1992 weltweit einen gesch„tzten Umsatz von 15 Mrd. DM kosten, ein Drittel davon in Europa. Was der Branche jedoch Zuversicht fr die geplante Jagd auf kommerzielle Programmh„ndler und ihre Plagiate gibt, ist die Novellierung des Urheberrechts in Deutschland Anfang 1993. Die alte Rechtsprechung ist tot", sagt der Mnchener Software-Experte und Jurist Michael Lehmann. Mit der Gesetzes„nderung wrde die Masse der Computerprogramme, auch rckwirkend die vor 1993 erstellten, im Schutzrecht auf die Ebene anderer Sprachwerke gestellt. Mit der Materie befaáte Richter h„tten bereits signalisiert, daá Raubkopierer mit Gef„ngnis- strafen von bis zu fnf Jahren und Scha- densersatzansprchen zu rechnen h„tten. Bislang gibt es nach Auskunft von Soft- ware-Rechtlern in Deutschland kein einzi- ges Programm, dem einmal ein urheber- rechtlicher Schutz zugesprochen worden ist. Nach einem Grundsatzurteil des Bundes- gerichtshofs aus dem Jahr 1985 muá ein Programm dazu eine uberdurchschnittli- che Schaffensh”he aufweisen. Dieses Kri- terium soll es ab 1993 nicht mehr geben. Beim Schlag gegen die Berliner Mail- box-Piraten wurden auch 250 Nutzer iden- tifiziert und, was wichtiger ist, ber 100 an- dere Mailboxen in ganz Europa. BSA-Europaanwalt Brad Smith: "Wir sind fest entschlossen, alle illegalen Mailboxen aus dem Markt zu entfernen". 60 bis 70 Prozent und damit die groáe Masse der Raubkopien werden in Unternehmen, bei Versicherungen und Banken gezogen. Im Falle dieser Groákunden gibt sich die Branche aber sanft und setzt nicht auf Gerichte, sondern "Aufkl„rung", wie es der Verband der Software-Industrie Deutschlands (VSI) nennt. Die Groáen l„át man laufen, die Kleinen h„ngt man, sagen Kritiker dazu. Sie fordern Razzien auch bei Adressen wie der Deutschen Bank. Den Zahlen nach ist Europa und vor al- lem Deutschland ein Eldorado fr Soft- ware-Kriminalit„t. Das gesch„tzte Scha- densvolumen durch Raubkopien bietet mit 0,5 bis 1,3 Mrd. DM dem gesamten diesj„h- rigen Umsatz der hiesigen Software-Pro- duzenten von 1,1 Mrd. DM die Stirn. Zwei Drittel aller laufenden Programme in Eu- ropa sind illegal in den Umlauf gebracht. Falls auch die neue Runde im Kampf ge- gen Software-Piraten keinen Erfolg bringt, bliebe nur noch ein Weg. Wie bei Video und Schallplatten máten die Umsatzver- luste dann in die Ger„tepreise ber eine Abgabe verrechnet werden. ((Tagesspiegel, 6.12.1992))